Jetzt ist es offiziell und ich kann wieder frei atmen.

Formal:
In der heutigen außerordentlichen Landesvorstandssitzung der Piratenpartei Hessen (in der es um das Budget ging) habe ich am Ende der Sitzung meinen Rücktritt vom Amt des politischen Geschäftsführers offiziell nun bekannt gegeben.
Den Landesvorstand habe ich von meinem Rücktritt davon schon in einem nicht öffentlichen Treffen vergangenen Samstag in Kenntnis gesetzt.
Der Landesvorstand braucht aufgrund seiner Satzung nicht zu einem Wahlparteitag um für eine Neuwahl einzuladen, der verbleibende Landesvorstand kann die Geschäfte weiterführen, meine Aufgaben wandern an den zweiten und ersten Vorsitzenden über.

Informell – oder auch warum?
Eigentlich hab ich schon letztes Jahr nach dem Landesparteitag der Piraten NRW in Aachen zurücktreten wollen, aber die Kommunalwahlen in Hessen abgewartet – außerdem motivierte mich der dortige Parteitag und später das Kampagnen-Workshop-Wochenende zur Kommunalwahl doch noch weiter zu machen. Doch warum jetzt? Eigentlich ist es nicht so einfach zu beantworten, da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Hier wird es heute auch keine Ursachenanalyse von mir zu den Kommunalwahlen Hessen vom März geben, dazu wird es im Mai einen speziellen Termin der Piratenpartei Hessen geben. Hier möchte ich meine persönlichen Gründe für meinen Rücktritt erläutern.

Das mit der Zeit
Ich trat der Piratenpartei nach den Kommunalwahlen 2011 in Frankfurt bei (zuvor war ich eher Freibeuter, aber schon lange Parteien-unabhängig politisch aktiv) und es machte Spaß aktiv in allen möglichen Bereichen mitzugestalten und seine Freizeit zu opfern. Und je länger ich mitarbeitete und Einblick auch außerhalb des Tellerrandes vom Kreisverband Frankfurt erhielt, bot ich meine Hilfe an und je mehr Zeit und Einsatz brachte ich der Piratenpartei ein. Also merkte ich schnell das viele Piraten mit
viel Zeit auch viele Dinge erreichen konnten, politisch in Fraktionen oder auch innerparteilich.
Nur, nicht alle Piraten und Freibeuter haben so viel Zeit und Energie wie sie es gerne hätten, um effektiv mitarbeiten zu können. Aber das ist ja seit Jahren bekannt, kein neues Problem. Von digitaler Onlinebeteiligung möchte ich hier nicht mal anfangen.
Außerhalb von Parteitagen gibt es ja auch die Möglichkeit sich einzubringen, ob an Stammtischen, Infoständen oder Mahnwachen, bei Demonstrationen (zb ACTA/FsA) oder politischen Aktionen. Waren wir Piraten zwischen 2011 und 2013 viele und es viele Arbeitsgruppen/kreise und Aktive, so schwand diese Zahl dramatisch auch im Jahr 2014. Auch die Piraten die ihre kostbare Zeit für die Partei einbringen konnten wurden weniger, bzw viele haben sich zurückgezogen. Die Motivation sank, stürzte ab, einige verließen
die Partei – natürlich nicht ohne medial auf die Piratenpartei zu schimpfen und ihr wahres Gesicht zu zeigen.
Es kristiallisierte sich immer mehr der Typus Zeitpirat heraus (fast ähnlich mit dem Geldpirat). Nein, nicht Elite-Pirat. Von so einem Etikett halte ich nichts.
Nun denn, je mehr Zeit ich in die Piratenpartei investierte umso weniger Zeit hatte ich speziell im letzten Jahr bis heute für meine Arbeit und eigentlichen Broterwerb und für Freunde außerhalb der Piraten. Ich kann nur froh sein, das meine Chefs meine politische Arbeit unterstützen und gerade im Kommunalwahlkampf sehr oft viele Dinge nachgesehen haben. Ich konnte zum Beispiel recht kurzfristig meine Tagesplanungen flexibel ordnen und für Termine oder Demonstrationen das Büro verlassen. Oder das Firmenlager für unsere 2.500 Plakate, Flyer und Giveaways nutzen, ebenso Postsendungen ans Büro, weil dort fast immer jemand da war und die Sendungen in Empfang nahm. Dafür (und das wissen meine Chefs durch die internen Gespräche auch) bin ich unendlich dankbar.
Andernorts wäre das nicht möglich. Das hieß allerdings auch, das ich beruflich einige Dinge zurückstecken musste um für als Kandidat auf Listenplatz 4 (aussichtslos um einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt) Parteiwerbung zu machen.
(Ich springe schon wieder zeitlich…)
In der Piratenpartei habe ich die letzten Jahre einiges an Beauftragungen oder Arbeiten mitgemacht und erlebt.
Es wurde also nicht langweilig. Aber irgendwann ist es mit der freien Zeit auch zu Ende – und deshalb ziehe ich hier eine Reißleine.

Und damit komme ich eigentlich zur Aussage des Titels „Politischer Aktivist versus Politischer Geschäftsführer in der #Piratenpartei Hessen„.
Ich bin eher ein politischer Aktivist, auch für die Piratenpartei als ein politischer Geschäftsführer. Die Aufgabe oder Funktion ist nicht wirklich hundertprozentig geklärt. Ich habe gewisse Freiheiten die ein Vorsitzender nicht hat, kann mir einiges auch an Quatsch und Äußerungen erlauben, bzw konnte. Doch immer mehr mangelt es an aktiver Beteiligung durch die Basis.
Eher wird kritisiert statt aktiv geholfen. Und natürlich passieren dann auch Fehler im Landesvorstand, darauf möchte ich hier aber auch nicht eingehen, das hat bei einem Landesparteitag eher Platz, nicht hier auf meinem privaten Blog. Ich bin jemand der kreativ und mit leidenschafltichem Engagement politische Akzente setzen möchte, gerade auch durch Guerillabeaming. Früher(tm) gab es noch einige andere kreative Köpfe die gemeinsam an unterschiedlichen Orten mitgemacht haben für kleine Aktionen bei der die Piraten sichtbar waren. In letzter Zeit ist die Piratenpartei auch durch die Landtagswahlen bedeutungslos (ein anderer Pirat bezeichnete es als belanglos) geworden. Immerhin konnte in Hessen bei der Kommunalwahl in einigen Kreisen einige Sitze gewonnen werden, ansonsten verloren wir fast überall einen Sitz oder Prozente und Zustimmung auch bei den Wählen. Aber auch hier, Wahlanalyse folgt im Mai (dann bei den Piraten..)

Bevor ich also komplett in der Piratenpartei als PolGF verbrenne und nicht mehr „zu gebrauchen“ bin, lege ich eine Vollbremsung ein. Nein, ich werde nicht gleich Beauftragungen neu aufnehmen oder auf andere Vorstandsposten auf Kreis- oder Bundesebene zielen.
Meine Zeit gehört erst mal mir, ich hole mir gerade mein Privatleben zurück, meine Zeit mit Freunden, Familie und auch für mich. Die Partei muss nun mal hinten anstehen!

Das mit der Gesundheit
Nicht nur während des Kommunalwahlkampfes, auch schon vorher bemerkte ich, wie sehr meine Gesundheit unter meiner Aktivita im Landesvorstand litt – ich sag es mal drastisch – während des Wahlkampfes habe ich 15kg an Gewicht zugenommen. Die werde ich jetzt hart abtrainieren und auch durch die wieder zurück gewonnene Zeit mehr auf gesunde Ernährung achten. Ich kann nicht meine Gesundheit für die Partei aufs Spiel setzen, zu lange schon hab ich es geduldet. Und die Partei ist es nicht wert, die
Gesundheit zu ruinieren. Definitiv nicht.

Aktive Basis
Ja, welche denn? Viele kreative Köpfe haben uns verlassen, ich merke nur zu oft wie viele grießgrämige Piraten einem nur dumme Kommentare oder negative Stimmung entgegen bringen oder trollen. Darauf habe ich keine Lust mehr. Auch nicht, wenn zu sehr konservativ eingestellte Menschen meine links-sozialliberale Einstellung nicht anerkennen oder akzeptieren und einen online Steine in den Weg werfen (digital).
Wenn zu viele Piraten nörgeln, aber selber keine Konzepte oder Ideen einbringen damit es besser wird, dann sag ich – Pech, ich kann es auch nicht alleine richten und seht selber zu wie Dinge gemacht werden. Oder wenn in einer Fraktion keinerlei Bericht vorhanden ist was die seit 5 Jahren politisch gemacht haben – warum soll ich die unterstützen?
Nein, da bin ich ehrlich. Wer nichts macht, verdient meine freie Zeit und angebotene Unterstützung nicht. Wenn ich selbst darunter leide noch viel weniger. Ein Geheimrezept wie das geändert werden könnte? Gute Frage. Nächste bitte.
Eine aktivere Basis mit mehr kreativen und aktionswilligeren Piraten würde ich mir wünschen, aber die wenigen die ich kenne, sind selbst mit viel Aufgaben und Mandaten versorgt so dass es schier unlösbar ist.
Hin und wieder fehlt dann noch die Unterstützung durch höhere Instanzen – dann werde ich halt unbeliebt weil ich Nachfragen anstelle oder Vorschläge einbringe – die dann aber nicht umgesetzt werden, aus mir nicht bekannten Gründen.

Ich könnte jetzt auch noch Bundesvorstands-Bashing betreiben. Mach ich nicht, die einzelnen Personen werden schon wissen, was ich von ihnen halte.
Auch könnte ich viel weiter und mehr Dinge aufschreiben, aber ich möchte nicht nachtreten. So einer bin ich nicht. Ich bin nicht immer optimal gewesen, habe auch Fehler gemacht, ja, gebe ich zu, aber ich habe fast alle Möglichkeiten versucht die sich mir boten, um Piratige Politik bei den WählerInnen und BürgerInnen schmackhaft zu machen. Nur rennt man doch viel zu oft gegen eine Wand und holt
sich eine blutige Nase. Ich bin oft gegen Wände gelaufen, meine Nase ist zwar groß und hält einiges aus, aber jetzt ist Schluß.

Dem verbliebenen Restvorstand wünsche ich dennoch weiterhin viel Kraft und Durchhaltevermögen.

Ich bin erst mal raus und pausiere, das Privatleben hat nun Vorrang. Ach so, das heißt nicht, das ich keine Ziele der Piraten mehr nach außen hin vertreten würde, nein – ich stehe noch dahinter, nur nicht mehr in der Funktion als politischer Geschäftsführer.

Danke für alles.

Von Alexander

6 Gedanke zu “Politischer Aktivist versus Politischer Geschäftsführer in der #Piratenpartei Hessen – warum ich vom Amt des PolGF zurücktrat”
  1. Same here. Habe mich aus ähnlichen Gründen ähnlich verhalten. Bin aus der Vorstandsarbeit raus um mal durchzuatmen. An der Basis herrscht Flaute. Man zerreibt sich am politischen Gegner. Naiv wie ich war, dachte ich, der sitzt in anderen Parteien. Aber soweit kommt man gar nicht. Ich habe Zeit, Geld und Sozialleben in die Piraten investiert. Gewonnen habe ich vor allem Erfahrungen, aber das reicht auf Dauer nicht als Motivation. Bin den Piraten immer noch treu – gibt ja auch keine echte Alterna… andere Option.
    Lange Rede, kurzer Sinn: I feel you. Wish you the best. Cu anytime! 🙂

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