In diesem Beitrag möchte ich meine Beobachtungen vom Wahlsonntag und ein wenig auf den Ausgang der Wahl eingehen, da mich das doch auch beschäftigt (viele andere auch in ihren Blogs) und wir wieder verstärkt über unsere demokratischen Instrumente und Werte reden und schreiben müssen oder sollten. Ich wohne im Bundesland Bayern und da hatten wir am 9. Juni nur die Europawahl. Keine Kommunalwahl oder sonstigen Wahlen.

Bild von succo auf Pixabay

Intro

Seit meinem 18. Lebensjahr darf ich in Deutschland wählen. Und ich glaube, seit ich 19 oder 20 Jahre alt bin, helfe ich ehrenamtlich in der jeweiligen Gemeinde oder Stadt in der ich lebe, bei den Wahlen als Wahlhelfer mit. Angefangen als Beisitzer in Tübingen in verschiedenen Wahllokalen und dann die letzten Jahre als stellvertretender Wahlvorsteher in Frankfurt und nun heuer auch in Mittelfranken. Es ist für mich ein demokratisches Selbstverständnis, bei Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europawahlen auch an einem Sonntag entweder vormittags oder nachmittags und abends bei der Auszählung der Stimmen zu helfen.

Möglich ist das auch nur – so viel zur Ehrlichkeit – weil meine Frau mich da unterstützt und in der Zeit auf unsere Kind aufpasst und ich den Sonntag keine Zeit wirklich mit Familie verbringe. Insofern weiß ich sehr genau, was das für ein (zeitliches) Opfer da erbracht wird. DANKE mein Schatz!

Durch die vielen Jahre habe ich dadurch ein gutes Wissen und soliden Erfahrungsschatz an Wahlordnungen erlebt, ob einzeln bei Kommunal-, Landtags- oder Bundestagswahlen, oder gebündelt mit anderen Abstimmungen. Nicht immer konnte ich bei Wahlen vor Ort sein (zum Beispiel bei der Abwahl des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter F.), so nutzte ich die Möglichkeit der Briefwahl und habe auch als Helfer pausiert (weil ich umzog, im Urlaub oder anderweitig verhindert war). Vielerorts gab es im Vorfeld der Wahl auch Schulungen und Fortbildungen der Gemeinde oder Stadt um auf die korrekte und ordnungsgemäße Durchführung der Wahl zu achten.

Jetzt in der Woche vor der Europawahl wurde das digital durchgeführt und es gab für mich als Premiere eine Teilnahmebestätigung (Zertifizierung). Ich lade hier nur einen Teil der Bestätigung als Screenshot hoch.

Mit dem digitalen Lernkurs wurden folgende Inhalte vermittelt:

  • Rechtliche Grundlagen
  • Gliederung des Wahlgebietes
  • Grundzüge des Wahlrechts und der Wählbarkeit
  • Aufgaben der Wahlbehörden und Wahlorgane
  • Wählerverzeichnis und Behandlung der Wahlscheine und -briefe
  • Aufgaben der (Brief-) Wahlvorstände
  • Organisation, Durchführung, Ergebnisermittlung
  • Beschlussfassungen und (Brief-) Wahlniederschrift
  • Wissenstest

Ja und das habe ich auch erfolgreich bestanden. Ein wenig stolz darauf bin ich ja schon 😀

Wahlhelfer*in

Wir haben in Deutschland das große Glück, freie, geheime und freiwillige Wahlen abhalten und durchführen zu können. Nicht überall ist das möglich und nicht für alle ist das so selbstverständlich wie in Deutschland. Und auch genau aus diesem Grund helfe ich da auch am Wahltag.

Die Funktion als Wahlhelfer*in in Deutschland ist essenziell, um die ordnungsgemäße Durchführung von Wahlen zu gewährleisten. Wahlhelfer*innen tragen dazu bei, dass der Wahlprozess transparent, fair und effizient abläuft, indem sie die Stimmabgabe überwachen und sicherstellen, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Sie unterstützen bei der Erfassung und Auszählung der Stimmen, was die Integrität der Wahlergebnisse stärkt. Ihre Präsenz und Unparteilichkeit fördern das Vertrauen der Bürgerinnen in das demokratische System. Schließlich ermöglicht ihre freiwillige Mitarbeit die logistische Bewältigung der Wahlen, da ohne ausreichend Wahlhelferinnen der reibungslose Ablauf einer Wahl gefährdet wäre.

Da ich ja auch politisch aktiv bin, bin ich zu Neutralität verpflichtet. Und das ist wichtig so. Übrigens, wenn Du mal Lust hast, in deiner Gemeinde vor Ort zu helfen, kontaktiere doch mal die Stadt oder den Orts-/Kreisverband der lokalen Partei und frage dort nach, die können helfen da zu vermitteln.

Wahlen in anderen Ländern

Wie oben schon geschrieben, nicht überall ist das Wählen so möglich, wie wir es aus Deutschland oder innerhalb Europa kennen. Hier als Beispiel einige Länder (ohne Garantie):

1. Keine freien Wahlen

  • Nordkorea
  • Eritrea
  • Turkmenistan
  • Saudi-Arabien
  • Syrien

2. Sehr eingeschränkte Wahlen

  • China
  • Kuba
  • Iran
  • Weißrussland
  • Venezuela

3. Teilweise freie Wahlen, aber mit erheblichen Einschränkungen

  • Russland
  • Türkei
  • Ungarn
  • Myanmar
  • Thailand

4. Freie Wahlen, aber mit Herausforderungen und Unregelmäßigkeiten

  • Mexiko
  • Indien
  • Philippinen
  • Nigeria
  • Brasilien

5. Demokratisch legitime Wahlen mit einigen Problemen

  • USA
  • Frankreich
  • Italien
  • Japan
  • Südafrika

6. Demokratisch legitime Wahlen mit geringfügigen Problemen

  • Deutschland
  • Kanada
  • Australien
  • Norwegen
  • Schweiz

7. Vollständig demokratisch legitime Wahlen

  • Finnland
  • Schweden
  • Dänemark
  • Neuseeland
  • Island

Die genaue Anzahl der Länder in jeder Kategorie kann variieren und hängt von den aktuellen politischen Bedingungen und den Bewertungen der genannten Organisationen ab. Basierend auf den neuesten Berichten von Freedom House (2023) und dem Economist Intelligence Unit Democracy Index (2022), hier eine Schätzung der Anzahl der Länder in jeder Kategorie:

  1. Keine freien Wahlen: ca. 5-10 Länder
  2. Sehr eingeschränkte Wahlen: ca. 10-15 Länder
  3. Teilweise freie Wahlen, aber mit erheblichen Einschränkungen: ca. 15-20 Länder
  4. Freie Wahlen, aber mit Herausforderungen und Unregelmäßigkeiten: ca. 20-30 Länder
  5. Demokratisch legitime Wahlen mit einigen Problemen: ca. 30-40 Länder
  6. Demokratisch legitime Wahlen mit geringfügigen Problemen: ca. 20-30 Länder
  7. Vollständig demokratisch legitime Wahlen: ca. 10-20 Länder

Beobachtungen bei der Europawahl 2024

Meine Beobachtungen bei der Europawahl in dem Wahllokal sind relativ kurz zusammengefasst. Die Durchführung der Wahl verlief ordnungsgemäß und ohne Zwischenfälle oder negative Beeinflussung, wir als Team von Wahlvorstand, Schriftführer*innen und Beisitzer*innen haben sehr gut zusammen gearbeitet und uns optimal abgestimmt.

Ich habe (ich spreche da nur für meine Wahrnehmung) gefühlt viele Erstwähler*innen wahrgenommen. Bei der Europawahl 2024 wurde das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre gesenkt, so dass nun auch eine größere Gruppe von jungen Menschen bei einer demokratischen Wahl mitbestimmen durften. Viele von den jungen Menschen waren aufgeregt und zum Teil in Begleitung ihrer Eltern (aber haben natürlich selbständig und alleine gewählt!). Wenn ich zurück denke, als ich mit 19 zum ersten Mal wählen durfte, war ich ähnlich aufgeregt – und hatte im Vorfeld in der Familie und im Bekanntenkreis viele Fragen gehabt. Also waren wir Wahlhelfer*innen auch den neuen Wähler*innen freundlich gegenüber und haben ihnen vermittelt, dass hier alles in Ordnung ist und sie in Ruhe wählen dürfen.

Im Vorfeld der Wahl waren die Beobachtungen leider nicht so harmonisch und okay wie im Wahllokal. Der Ton innerhalb der Parteienlandschaft war schon bei der Landtagswahl 2023 sehr scharf uns Grünen gegenüber, vielerorts wurden Plakate beschädigt und bei vielen politisch aktiven Menschen (ob CSU, Freie Wähler, FDP, CDU, SPD oder Grüne, Linke) gab es mehr Gewalt auch an Leib und Seele. Das ist absolut verheerend und sollte mit aller Härte strafrechtlich verfolgt werden. Gewalt ist keine Lösung. Auch nicht beim politischen Gegener.

In diesem Jahr vergingen in den Wochen vor der Europawahl nicht ein Tag, an dem nicht Mitglieder unseres Ortsverbandes Hinweise zu beschädigten Plakaten oder Großplakaten meldeten. Das ist sehr sehr traurig und demotiviert. Allerdings ist das ein Angriff auf unsere aller gemeinsame Demokratie. Passend dazu wurden Plakate mit folgendem Slogan aufgehängt „Ein Wahlplakat ist zerstörbar. Unser Einsatz für Demokratie ist es nicht.“ und auch im Internet verbreitet:

Es ist also ein noch sehr weiter Weg die nächsten Jahre, da Ruhe einkehren zu lassen. Aber wir werden es schaffen.

Abstimmung in Rothenburg ob der Tauber

Und wie nun sehen die Wahlergebnisse für die Stadt Rothenburg ob der Tauber aus? Die Ergebnisse sind hier online zu finden.

Die Wahlbeteiligung lag bei 63,6%. Es war vorauszusehen, dass wir Grüne nicht gut abschneiden. Die Zahlen sind dennoch bitter: Von 8.081 wahlberechtigten Menschen wurden 5.140 Stimmen vergeben, davon kreuzten 608 grün (11,9%) an. Gleichzeitig ist die AFD mit 11,7% (599 Stimmen) viertstärkste Partei in Rothenburg (CSU mit 1.889 Stimmen, 36,9 % , +1,7 Gewinn / SPD 634 Stimmen, 12,4 %, -0,7 Verlust, Grüne 608 Stimmen, 11,9 %, -8,4 Verlust).

Das ist ernüchternd und schockierend. 9 Stimmen Unterschied – hier zeigt sich auch wieder, auf jede einzelne Stimmabgabe (für uns) kommt es an!

Stimmenverteilung – Screenshot bis zu PIRATEN-Partei:

Stimmentabelle mit Gewinn/Verlust – Screenshot bis zu PIRATEN-Partei:

Weil ich ja doch Piratenpartei erwähne, die haben nur 2 Großplakate aufgehängt gehabt, keinen Infostand und auch ansonsten keine Wahlwerbung in der Stadt.


So, das ist doch ein längerer Blogbeitrag geworden. Ich merke, ich bin weniger auf meine Stimmung zum Ausgang der Wahl eingegangen, werde ich vielleicht noch in einem extra Blogbeitrag machen. Soviel kann ich ja schon mal sagen. Zufrieden bin ich nicht!

Fazit?

Das Erstarken der rechtskonservativer und faschistischer Parteien (nicht nur in Deutschland) macht mir Sorgen. Ich bin nicht mega erstaunt und verwundert, auch nicht so sehr überrascht, dass viele junge Menschen eben nicht die progressiven Parteien wie SPD, Grüne oder Linke wählen, sondern eher kleinere Parteien (Volt) und leider dann auch rechtsradikale Parteien wie A*D. 🤮 Mit Lügen, Desinformationen und falschen Botschaften scheinen viele junge Menschen besser klar zu kommen, als mit Fakten und wissenschaftlich belegbaren Inhalten. Die auch nicht immer schön sind.

Deshalb gilt, wir sind mehr. Ja, auch im östlicheren Teil der Bundesrepublik, auch wenn dort es blaue Flecken gibt und viele die A*D wählten. Noch glaube ich fest daran, dass viele nicht den Unterschied zwischen einer Europawahl und der Bundestagswahl verstanden haben und sich die nächsten Jahre wundern werden, welchen Leuten sie ihre Stimme gegeben haben. Oder sie haben es bewusst getan…

Ich bin auch kein Wahlforscher, aber ich bin nicht alleine. Wir bekommen immer wieder Zulauf an positiven Rückmeldungen und Neumitglieder. Das ist schön und wichtig. Wenn auch Du Mitglied (bei uns Grünen) werden möchtest, dann mach das, geht einfach auch online => https://www.gruene.de/mitglied-werden.

Auf der Grafik steht „Rechtsextreme sind stark? Mit dir sind wir stärker! Jetzt Mitglied werden. Unsere Demokratie braucht dich.“ Und ist mit dem Mitgliedsantrag verlinkt.

Ach ja, gibt es zum Wahlabend noch andere Meinungen aus der Blogosphäre? Ja. Diese hier habe ich über https://uberblogr.de/ UberBlogr gefunden, es gibt sicher noch andere Blogbeiträge dazu. Wenn Du welche kennst, kannst ruhig den Link im Kommentar hinterlassen und ich ergänze die Liste.

Verlinkungen zu anderen Blogbeiträgen

(Liste kann laufend ergänzt und aktualisiert werden)

Von alex

Bloggt seit 1999/2000, glücklicher Ehemann und Papa. Gebürtig aus der Uni-Stadt Tübingen und dann 2010 nach Frankfurt am Main gezogen. Von dort Ende 2022 weggezogen und leben glücklich im ländlicheren Raum. Mehr auf meiner Über mich-Seite

Ein Gedanke zu “Europawahl 2024 – Meine Beobachtungen als stellvertretender Wahlvorsteher im Wahllokal”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert