Ich hatte schon mal vor Jahren vor, das Micropayment-Bezahlsystem des Schwäbischen Tagblatts zu kritisieren, aber irgendwie kam ich nicht dazu. Nun aber schon. Warum? Ein Artikel wurde veröffentlicht und ich wollte ihn lesen.

Screenshot tagblatt.de
Screenshot tagblatt.de

Und war auch bereit, dafür 15 Cent zu bezahlen. Nur – das Bezahlsystem das eingesetzt wird, ist nicht zeitgemäß und der Usability (Anwendbarkeit) dem Jahre 2015 nicht würdig – kann aber auch daran liegen, das die Geschäftsführung des Verlages falsch oder inkompetent bei Micropayment-Lösungen beraten wurde.

Bei 15 Cent für den Artikel dachte ich mir, gut, so schwierig kann ja das Bezahlen nicht sein, immerhin bin ich durch flattr oder andere Micropayment-Systeme gewohnt (die taz macht das hervorragend, freundlich und empfehlenswert!), schnell, einfach und unkompliziert Artikel für einen geringen Preis zu bezahlen und zu erhalten. Falsch gedacht. Folgendes passiert, wenn auf das Schlüssel-Symbol geklickt wird (siehe Screenshot oben)

Umständlicher Registrierungsprozess

Ein Fenster öffnet sich. Eine Registrierung beim Schweizer Unternehmen millipay ist nötig. anders geht es nicht. Eine E-Mailadresse und die Handynummer sind für eine Registrierung nötig. Warum aber eine E-Mailadresse UND die Handynummer?

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Ich klicke also auf „Ich habe noch kein milliPay-Konto“ und gebe meine E-Mailadresse und meine Handynummer ein. Mit einem unguten Gefühl.

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Was hier nicht erwähnt wird, warum eine Handynummer gebraucht wird, erahne ich schon, ein Aktivierungscode wird an meine Handynummer gesendet. Ach F**k, die Handynummer wird im Klartext angezeigt, anstatt wie bei anderen Diensten verkürzt oder mit ***-Sternchen versehen, den inzwischen auf meinem Handy eingegangenen Aktivieriungscode gebe ich ein, wähle ein Passwort und denke das ich nun den Artikel sehe:

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Nein, zu früh gefreut. Ein weiteres Fenster zeigt sich mir:

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Ich klicke auf einen weiteren Button „Bitte klicken Sie hier um fortzufahren“ und denke mir dabei – jetzt kann ich endlich den Artikel lesen. Aber nein – zu früh gefreut, ein weiteres Fenster zeigt sich:

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Nun gut, also – jetzt nach dem Fenster klicke ich auf „Jetzt kaufen und bezahlen“ – nur bisher gab es noch keine Möglichkeit die Art der Bezahlung auszuwählen oder zu definieren – richtig, das ist bisher noch gar nicht erfolgt. Deshalb erscheint nun folgendes Fenster:

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Ja, die Screenshots sind wirklich echt, vom 07. April 2015. Beim Usability und Design ist hier richtig gespart worden – allerdings an der falschen Ecke, ich lache kurz auf, doch dann merke ich das die das ernst meinen – nicht mal eine Möglichkeit über das Handy (also mPay) den Artikel zu bezahlen gibt es – entweder Kreditkarte oder Lastschriftverfahren. Hallooohoooooooo?? Und dann muss ich nicht nur 15 Cent auf das Konto (also bei milliPay) einzahlen, sondern einen höheren Betrag (die nennen das Guthaben) um fortfahren zu können. Ich gebe also widerwillig und missmutig über diese Unverschämtheit der Abzocke (wer weiß ob ich weitere Artikel bei tagblatt.de einkaufen werde und von daher erst mal nachschauen muss wie mein restliches Guthaben wieder zurück zu mir kommt) meine Kontodaten ein (Kreditkarte einem Unternehmen in der Schweiz anvertrauen? Ganz sicher nicht!) und klicke dann auf den Button „Mein milliPay Konto aufladen“

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Inzwischen habe ich schon fast vergessen, das ich eigentlich nur schnell einen Artikel für 15 Cent laden wollte… Aber hey, fast… Jetzt kommt erst eine Bestätigung der Zahlung:

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und dann erst wird mir der Artikel vollständig angezeigt.

Von dem Artikel hab ich mir natürlich gleich Screenshots und eine digitale Druckausgabe angefertigt, weil ich ja nicht weiß, ob das System sich erinnern kann, das ich diesen Artikel bezahlt habe.

Fazit:

Schlechtes Design, unfreundliche Benutzerhandhabung und nur zwei Arten der Bezahlung möglich, selbst die AGBs von milliPay sind abschreckend dargestellt. Werde mich nun aufmachen und nachforschen wie ich das restliche Guthaben wieder zu mir zurück bekommen kann, weitere Artikel von tagblatt.de versuche ich mir zu ersparen zu kaufen. Aber das tagblatt scheint (zum Leidwesen der Inhalte) nicht zukunftsorientiert zu sein. Zum Glück denken andere Verlage und Verleger anders (wie z.b. taz, siehe oben). Nur im gallischen Tübingen ist das moderne Internet vom alten Verlagshaus noch nicht angekommen – oder sie werden weiterhin falsch beraten. Wahrscheinlich von einem Internetausdrucker.

Von Alexander

2 Gedanke zu “Schwäbisches @tagblatt und millipay Micropayment – umständlich und nicht anwenderfreundlich #fail”
  1. Kann deinen Frust gut nachvollziehen. Habe dieses Prozedere auch schon durchgezogen. Besonders irritierend, warum hier eine Handynummer benötigt wird. Der Aktivierungscode könnte doch auch an die Mailadresse geschickt werden? Und in der mobilen Betrachtung – vom Handybildschirm – natürlich völlig unbenutzbar.

    Jedenfalls schrecke ich aus diesem Grund davor zurück, Tagblatt-Artikel zu verlinken. Anders als mit schlechter Beratung lässt sich das wirklich nicht erklären. Zumal es inzwischen ganz kompetente (/ junge) Leute bei Tagblatt gibt – die privat z.B. auch Twitter nutzen. Man müsste es also besser wissen.

    Aber… es gibt vieles, was bei der „Digitalstrategie“ des Tagblatts sich mir nicht so recht erschließt. Z.B., warum das E-Paper mit 31,90 Euro pro Monat genausoviel kostet wie die Print-Ausgabe inklusive vor-meine-Tür-tragen (oder warum ich für dieses E-Paper zusätzlich 4,90 zahlen soll, wenn ich schon die Print-Ausgabe voll bezahle)……

  2. Mich würde mal, wie viel das Tagblatt mit dieser Strategie einnimmt. ich kann mir nicht vorstellen, dass das mehr als ein Nasenwasser ist. Und weil niemand mehr ernsthaft Tagblat-Artikel verlinkt, verliert es damit Unsummen in der anderen großen Internet-Währung: Aufmerksamkeit. Und verärgert auch noch (siehe Sebastian) seine zahlenden Kunden. Ganz schlechtes Konzept.

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