In der aktuellen Ausgabe der „Kirche in der Stadt“ aus dem evangelischen Kirchenbezirk Tübingen (meiner alten kirchlichen Heimat) wird unter anderem über das Englische im deutschen Sprachraum kurz diskutiert, bzw. eine Pro und Contra-Seite innerhalb der Kirche angegangen.

Ich habe mir erlaubt, aus der PDF ein Screenshot nur von dem Pro und Contra zu machen:

(als Transcription vom Bild):

Pro:
Ute Eichhorn, Kirchengemeinderätin und Redakteurin dieser Zeitung

Die Jugendgottesdienste firmieren seit Jahren unter dem Namen „Graceland-Gottesdienst“. Der CVJM betreut Kinder in einer Schule während einer „Playtime“, ein anderes Angebot des CVJM, das sich an Jugendliche wendet, nennt sich „Outdoor-Team“. Manch einer versteht seine eigene Kirche nicht mehr. Muss das denn sein? Ja! Denn genauso wie die Gesellschaft sich verändert, verändert sich die Sprache. Die Sprache, vor allem die Umgangssprache, ist Teil eines fließendes Prozesses. Da die Kirche und vor allem die Menschen in ihr einen großen Teil der Gesellschaft repräsentieren, verändert sich auch der Sprachgebrauch. Das der Jugendsprache entlehnte „chillen“ für Ausspannen oder Nichtstun ist längst in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.
Kirche würde vollkommen gestrig wirken, öffnete sie sich nicht auch dem einen oder anderen eingedeutschten englischen Begriff. Wer spricht denn von einem mobilen Telefon, wenn er mit seinem Handy telefoniert?

Contra:
Dr. Beatrice Frank, Kirchengemeinderätin und Redakteurin dieser Zeitung

Früher haben wir über schlechtes Englisch Witze gemacht, heute sprechen wir es. Wem nur ist das eingefallen: Willst du aktuell sein, musst du so tun, als warst du weltweit bekannt. Also protze mit Sprachbrocken, die den Eindruck von Internationalität machen. Dass es sich um Wirklichkeit um schlecht übersetztes Billig-Amerikanisch handelt, ist völlig egal: Die Zielgruppe sind ja Leute, die kein Englisch können. Dieser Trend, so durchsichtig er auch ist, hat sich noch ausgeweitet: Auf den Schlager-Hitlisten kann man ja nur noch mit englischen Texten etwas erreichen, in der Werbung sowieso, und in den Medien natürlich auch. Das könnte uns ja ziemlich kalt lassen, würde die Kirche nicht auch mitziehen: Die Reformationsnacht muss unbedingt Church Nicht heißen und der Bezirkskirchentag hatte seine Locations. Warum eigentlich? Bietet die Sprache Luthers und Goethes nicht genug Ausdrucksmöglichkeiten? Wer sich so anbiedert, hat nichts von eigenem Wert zu bieten. Ist das der Eindruck, den wir machen wollen?

Meine Meinung hierzu:

Es ist ja schön und gut, dass endlich mal „Kirche in der Stadt“ ein Thema aufnimmt, das sogar Personen unter 40 Jahren ansprechen könnte, allerdings sind mir die zwei Statements (Aussagen) zu weich und schwammig und zu wenig konträr. Ich kann beide Meinungen gut verstehen, jedoch hätte ich mir bei „Wie viel Denglisch verträgt unsere Church?“ mehr erwartet. Nur weil man auf der Contra-Seite die Vermischung englisch-deutscher Wörter oder Internationalisierung nicht mag, sollte man dies nicht gleich verteufeln. Eher könnte man sich für mehr deutschen Sprachgebrauch einsetzen. Die Kritik, dass auf dem Bezirkskirchentag mehr „Locations“ als Veranstaltungsorte zu finden waren, kann ich gut teilen. Leider war ich selber nicht beim BKT nicht anwesend, aber es wurde zu sehr auf die ver-englischung gepocht, so mein Eindruck. Vielleicht wollte man ja doch mehr jüngere Leute ansprechen, so dass nicht nur ältere Besucher hinkommen würden.

Unsere Kirche verträgt die Mischung beider Sprachen, eigentlich aller Sprachen, denn es sollte nicht um die Sprachunterschiede, sondern eigentlich um die Botschaft der Kirchen gehen, die Verkündigung und Botschaft Gottes. Und die Sprache des Christentums spricht mehrere Sprachen und solange die Botschaft beim Empfänger ankommt, ist es egal ob ich bei einer Motette, einem Kantatengottesdienst oder einer Church Night war. Schliesslich gibt es ja auch englischsprachige Angebote in der Kirche, z.B. die Church at Six oder den Carol Service (hier gehe ich von der Stiftskirche Tübingen aus, was in anderen Kirchen veranstaltet wird, weiß ich nicht so genau). Und diese Angebote sind weiter förderungswürdig, weil eben viele sich für die Form entscheiden, auch mal die englische Sprache zu hören und nicht alttestamtenarische Glaubensgottesdienste (überspitzt).

Ich würde mir wünschen, dass sich gerade in Tübingen vor allem die Kirchen auch moderner zeigen würden und ihre Internetangebote und Aktivitäten verstärkt in soziale Netzwerke legen würden, hier zeigt sich ein großes Defizit auf, es wird darauf verlassen, dass das CVJM es macht und richtet. Das ist ein fataler Fehler und Irrglaube. Denn dadurch verspielt sich die Kirche die Chance, Leute aus dem Onlineumfeld für sich zu gewinnen. Ich kann nur als Beispiel die Aktivitäten der EKiR (evangelischen Kirche im Rheinland) und den bayrischen Landesbischof nennen, die exemplarisch für eine sehr gute Onlinearbeit stehen und auch dort hin und wieder „denglisch“ verwenden – und dort beschwert sich niemand, der Erfolg und die Rückmeldung der Angebote gibt ihnen Recht. Vielleicht wird das einigen Leuten im Kirchenbezirk Tübingen auch mal klar. Hoffentlich bald…

Bin gespannt, wie es euch geht, eure Meinungen interessieren mich, schreibt hierzu in den Kommentaren. Danke.

Von Alexander

3 Gedanke zu “Pro und Contra – Wie viel Denglisch verträgt unsere Church?”
  1. […] bzw. Onlinetagebuchartikel fand ich in einem von mir abonnierten Blog, das die Frage aufwarf: Pro und Contra – Wie viel Denglisch verträgt unsere Church?. Alex Schnapper gibt die Diskussionen zweier Tübinger Kirchengemeinderätinnen wieder und zieht […]

  2. Vielen Dank Ralf Peter. Freut mich sehr, ich hatte auch auf der Facebookseite des Kirchenbezirks kommentiert, aber die scheinen die Kommentarfunktion deaktiviert zu haben. Sind wohl gegen den Austausch oder gegen eine Interaktion mit Onlineusern. Habe eine E-Mail an den Pressepfarrer verschickt um nachzufragen… Anscheinend führen die die Zensur wieder ein.. Oh weh, ich ahne schlimmes…

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